10.11.2022, FA Andreas König
An dieser Stelle möchte ich meinen Blogbeitrag vom 18. August 2022 ergänzen.
Dort hatte ich ausgeführt, dass im Oktober noch Lesung des Gesetzentwurfes des Bundesarbeitsministers Heil im Bundestag zu dieser Thematik erfolgen soll.
Nun hat das Bundesarbeitsgericht mit einer Entscheidung vom 13.09.2022 (Aktenzeichen: 1 ABR 22/21) den Gesetzgeber „überholt". Dies geschah allerdings mit einer sehr weit geholten Begründung, sodass die Rechtslage eher unklarer geworden ist und die angekündigte Gesetzesänderung umso nötiger wird.
Was hatte das BAG zu entscheiden?
Anlass für die Entscheidung war ein vorangegangenes Beschlussverfahren des Landesarbeitsgerichtes Hamm, in dem es um die Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung im Sinne des § 87 BetrVG ging.
Das LAG hatte dem Betriebsrat ein entsprechendes Initiativrecht zugestanden.
Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm aufgehoben.
Das BAG führt aus, dass, weil es bereits eine gesetzliche Regelung in § 3 Arbeitsschutzgesetz gäbe, der Betriebsrat kein Initiativrecht zur Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung hätte.
Das Bundesarbeitsgericht, und dies ist neu, begründet seine Entscheidung mit § 3 II Nummer 1 Arbeitsschutzgesetz, den es exzessiv dahingehend auslegt, dass dieser bereits eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer enthalten würde.
Abgesehen, dass es diese gesetzliche Vorschrift schon länger gibt und ihr Wortlaut lautet: ,..Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen ... Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen hat er unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit und der Zahl der Beschäftigten: 1. Für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen."
Aus dem Wort „Organisation" leitet das BAG eine Verpflichtung zur Zeiterfassung ab, weshalb der Beschluss des LAG Hamm aufgehoben wurde
Abgesehen davon, dass sich die Entscheidung des BAG nicht mit dem Gesetzeswortlaut deckt, ist sie auch völlig unpraktikabel, denn der BAG-Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, wie die Arbeitszeitdokumentation erfolgen soll und welche Konsequenzen ein Verstoß hätte. Die Entscheidung gibt also den Arbeitgebern und Arbeitnehmern die sprichwörtlichen Steine statt Brot.
Auch zur bereits im August-Blog besprochenen Vorgabe des EuGH erklärt sich das BAG nicht.
Für die Praxis bedeutet dies also mehr Rechtsunsicherheit als vorher und es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag noch in diesem Jahr die Gesetzesänderung auf den Weg bringt. Es wird weitere gesetzliche Konkretisierungen geben.
Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie sich schon heute darauf vorbereiten und digitale Zeiterfassung einführen, um zu gegebener Zeit nicht unter Zeitdruck zu geraten.
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