06.05.2024, FA Andreas König
Während in Jahren der Rezession und hoher Arbeitslosigkeit meist betriebsbedingte Kündigungen durch die Arbeitnehmer angegriffen und von den Gerichten verhandelt werden, sind es zur Zeit aufgrund des „Arbeitnehmer-Arbeitsmarktes“ auch eine Vielzahl von verhaltensbedingten Kündigungen, die durch die Gerichte verhandelt werden.
Dies liegt zum einen daran, dass weniger betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, zum anderen aber auch daran, dass verhaltensbedingte Kündigungen mehrere Nachteile für die gekündigten Arbeitnehmer mit sich bringen.
Auch die persönliche Akzeptanz gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung ist viel geringer, da „man doch nichts falsch gemacht hat“.
Mit dem Wissen, dass gegen verhaltensbedingte Kündigungen sehr häufig geklagt wird, muss der Arbeitgeber diese natürlich besonders gut vorbereiten und begründen können. Die Gründe hierfür liegen – wie der Name schon sagt – im Verhalten des Arbeitnehmers, können von diesem also beeinflusst werden.
Zu unterscheiden sind zwei Hauptgruppen:
a) fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers und
b) vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers.
Bei der ersten Gruppe werden meist ordentliche Kündigungen ausgesprochen, also unter Einhaltung der Kündigungsfrist.
Bei den Fällen des vorsätzlichen Fehlverhaltens werden in der Regel außerordentliche, fristlose Kündigungen ausgesprochen. Dementsprechend bestehen auch andere Prüfmaßstäbe bei Gericht.
Bei fahrlässigem Fehlverhalten des Arbeitnehmers, zum Beispiel Verursachung eines Verkehrsunfalls bei Glatteis aufgrund unangemessener Geschwindigkeit, hat eine außerordentliche Kündigung in der Regel keine Erfolgsaussicht.
Ob eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, hängt vom Fehlverhalten und der Beweisbarkeit im Einzelfall ab und natürlich auch davon, ob dem Arbeitnehmer schon früheres Fehlverhalten vorzuwerfen war, wofür er gegebenenfalls auch schon abgemahnt wurde. Natürlich sind auch die Formalien zu beachten, insbesondere die Betriebsratsanhörung oder auch den Sonderkündigungsschutz.
Vergleiche hierzu den Blogbeitrag Kündigung von Arbeitsverhältnissen Teil 1.
Am heftigsten gestritten wird um außerordentliche verhaltensbedingte Kündigungen, insbesondere wenn Vorsatztaten vom Arbeitgeber behauptet werden. Dazu gehören Untreuehandlungen, Arbeitszeitbetrug, Diebstahl, aber auch bedingt vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen, wenn die Arbeitsleistungen nach der Devise: „Mir doch egal“ erbracht wird. Hier muss der Arbeitgeber zuallererst die Frist des § 626 II BGB beachten. Diese beträgt zwei Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Wenn also der Personalabteilung ein Arbeitszeitbetrug schon Monate bekannt ist, darf keine fristlose Kündigung mehr ausgesprochen werden, sondern nur noch eine Kündigung unter Einhaltung der vertraglich/gesetzlichen Kündigungsfrist.
Als nächstes muss beachtet werden, dass eine Interessenabwägung erfolgt. Gemeint ist damit die Gewichtung der Interessen des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis so schnell wie möglich zu beenden und den „störenden“ Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu entfernen und zum anderen dem Interesse des Arbeitnehmers nicht von heute auf morgen ohne Job und ohne Bezahlung dazustehen. Dies ist insbesondere bei längerer Betriebszugehörigkeit zu beachten, auch wenn Vorsatzdelikte im Raum stehen.
Das BAG hat dazu vor mehreren Jahren im Fall „Emely“ gegen die Firma Kaisers, einem Berliner Einzelhandelsunternehmen, seine Rechtsprechung geändert und eine außerordentliche Kündigung wegen des Unterschlagens von Pfandbons für unwirksam erklärt, weil „Emely“ schon über 25 Jahre Betriebszugehörigkeit hatte.
Hier muss also im Einzelfall genau geprüft werden, welche Auswirkungen der Pflichtenverstoß auf den Betrieb hat und ob nicht zum Beispiel durch eine Freistellung oder Umsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Betrieb vor weiterem Schaden durch den Arbeitnehmer geschützt werden kann.
Dritte Voraussetzung ist selbstverständlich (§ 626 I BGB), dass es überhaupt einen wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gibt, soll heißen, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die ihm vorgeworfene Vorsatztat begangen hat (Tatkündigung). Die Beweislast hierfür trifft den Arbeitgeber. Regelmäßig wird deshalb auch eine Strafanzeige durch diesen erfolgen, da die Staatsanwaltschaft bessere Aufklärungsmöglichkeiten hat.
Davon zu unterscheiden ist die Verdachtskündigung, bei der der konkrete Tatnachweis nicht zu führen ist, weil zum Beispiel mehrere Personen verdächtig sind, einem einzelnen aber die konkrete Tat nicht nachgewiesen werden kann. Hier ist als zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung der betroffenen Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung anzuhören, damit er im Personalgespräch die Möglichkeit hat, die ihn belastenden Indizien auszuräumen. Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit nicht, ist die Kündigung schon deshalb unwirksam.
Weiter muss vom Arbeitgeber geprüft werden, ob das Fehlverhalten nicht auch durch Abmahnung oder Änderungskündigung geahndet werden kann, beide sind milderes Mittel. Wichtig ist auch, dass ein Fehlverhalten, das abgemahnt wurde, durch die Abmahnung „verbraucht“ ist, das heißt, wegen desselben Fehlverhaltens kann nicht Tage später eine Kündigung ausgesprochen werden.
Davon zu unterscheiden ist die außerordentliche Kündigung im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung, zum Beispiel wegen wiederholten Zuspätkommens. Ein einmaliges Zuspätkommen rechtfertigt in der Regel keine verhaltensbedingte Kündigung. Wenn der Arbeitnehmer aber mehrfach zu spät zur Arbeit erscheint und deshalb bereits abgemahnt wurde und dadurch die Betriebsabläufe nicht unerheblich beeinträchtigt werden, kann hierauf auch eine außerordentliche Kündigung gestützt werden, selbst, wenn der Arbeitnehmer nicht vorsätzlich handelt oder wegen höherer Gewalt (Glatteis) zu spät kommt. Es liegt in seiner Sphäre, rechtzeitig zuhause loszufahren und sich auf die Witterungsverhältnisse einzustellen. In der Regel ist der Arbeitgeber hier aber gut beraten, nur eine ordentliche Kündigung auszusprechen und keine außerordentliche.
Im Falle der außerordentlichen Kündigung wird der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig gezwungen, das Arbeitsgericht anzurufen und sich gegen die Kündigung zu wehren. Dies hat seine Gründe darin, dass eine außerordentliche Kündigung, bis auf wenige Ausnahmen auch eine bis zu zwölfwöchige Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld nach sich zieht. Weiterhin besteht für die Zeit der Sperrfrist kein gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherungsanspruch, das heißt in der Rentenversicherung besteht eine entsprechende Lücke und in der Krankenversicherung muss der Arbeitnehmer selbst Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung leisten, sofern er sich nicht familienversichern kann.
Für den Arbeitnehmer hat die außerordentliche Kündigung weitreichende Konsequenzen. Nicht nur, dass er von heute auf morgen nicht mehr zu seinem Arbeitsplatz kann, was insbesondere bei wissenschaftlicher Tätigkeit oder Projektarbeit eine Karriere beenden kann. Vielmehr verliert der Arbeitnehmer auch seinen Vergütungsanspruch und Versicherungsschutz. Darüber hinaus verhängt die Agentur für Arbeit regelmäßig eine acht- bis zwölfwöchige Sperrfrist, in der keine Leistungen gewährt werden. Natürlich besteht auch der „soziale Makel“ des Gefeuertwerdens. Auch für zukünftige Arbeitsverhältnisse wird der abrupte Beendigungszeitpunkt in der beruflichen Vita nicht förderlich sein.
Fazit: Arbeitgeber sollten eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung zwingend mit Rechtsabteilung oder Rechtsanwalt vor Ausspruch der Kündigung abklären und die prozessualen Chancen genau abwägen. Arbeitnehmer sollten sich unbedingt zeitnah eines Rechtsbeistandes bedienen, da möglicherweise auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen folgen und auch im Falle einer zeitnahen Anschlussbeschäftigung wegen möglicher Schadensersatzansprüche eine verhaltensbedingte Kündigung nicht abtun.
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