Neues zur Arbeitnehmerüberlassung – Wichtige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

10.04.2025, FA Andreas König

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 12.11.2024 (Aktenzeichen: 9 AZR 13/24) seine bisherige Rechtsprechung zur Arbeitnehmerüberlassung geändert.

Die Arbeitnehmerüberlassung ist in Deutschland ein eigener „Wirtschaftszweig“ und betrifft Millionen von Arbeitnehmern. Vor 20 Jahren gab es allein beim Personaldienstleister Vivento mehr als 100.000 Beschäftigte. Die neue BAG-Entscheidung hat daher hohe wirtschaftliche Relevanz.

Der Fall im Überblick

Sachverhalt:

Der Kläger war zwölf Jahre lang bei der S-GmbH als Sitzefertiger angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgeländer der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie. Die Beklagte und die S-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen.

Klage:

Der Kläger hat geltend gemacht, dass zwischen den Parteien nach § 10 I in Verbindung mit § 9 I AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist

Begründung:

Er sei seit Anbeginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten unter Verletzung der Vorgaben der AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden.
Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren.

Die Entscheidung des BAG

Die Vorinstanzen hatten die Klage mit der Begründung des Konzernprivilegs des § 1III 2 AÜG abgelehnt. Diese Entscheidung hat das BAG nunmehr aufgehoben, da das Konzernprivileg nicht anwendbar sei: „Wenn Einstellung „und“ Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ im § 1 III 2 AÜG ist als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis indiziert einen entsprechenden Beschäftigungszweck.“

Was bedeutet das konkret?

In Alltagssprache übersetzt, heißt dies, dass große Konzerne nicht über Tochterunternehmen Arbeitskräftebedarf abdecken dürfen, der längerfristig besteht, denn dann laufen sie Gefahr, dass dies eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung ist mit der Konsequenz, dass Arbeitsverhältnisse mit der Konzernmutter begründet werden.

Die Leiharbeitsverhältnisse sind nach dem Willen des Gesetzgebers atypische Beschäftigungsverhältnisse, die temporären Beschäftigungsbedarf im Entleiher-Betrieb abdecken sollen und den Unternehmen Flexibilität geben sollen. Verleiher-Unternehmen sollen ihre Arbeitskräfte an unterschiedliche Entleiher verleihen und nicht ausschließlich über mehrere Jahre an ein und denselben Entleiher.

In der Branche der Arbeitnehmerüberlassung bestehen häufig schlechtere Tarifarbeitsbedingungen gegenüber den Konzernbeschäftigten, so dass schon wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Verstoß und damit eine Diskriminierung der Arbeitnehmer erfolgt, wenn diese langfristig neben Konzernbeschäftigten mit den gleichen Tätigkeiten eingesetzt werden, aber „nur“ Leiharbeiter sind.

Fazit:

In der Praxis dürfte dies vor allem für die Beschäftigungsverhältnisse Bedeutung erlangen die über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren (zulässige sachgrundlose Befristung) bestehen und die Leiharbeitnehmer immer im selben Produktionsbetrieb tätig sind.

Auf „kurzzeitige“ Leiharbeit hat die Entscheidung des BAG keinen Einfluss. Dagegen hat die Entscheidung für Konzernunternehmen (Töchter) große Bedeutung und sollte in den Personalabteilungen die „Alarmglocken läuten lassen“.

Auch für die Betriebsräte ist diese Entscheidung wichtig, weil sie Arbeitsverhältnisse einem anderen Betrieb/Unternehmen zuordnet, was Einfluss auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer und der Betriebsratsmitglieder hat. Dies wiederum gibt den Betriebsräten einen umfassenden Auskunftsanspruch (§§ 7,8 BetrVG). Alle Betriebsräte sollten deshalb zu diesem Thema von ihrem Fortbildungsanspruch des § 37 VI BetrVG Gebrauch machen.

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf!

AnyDesk Fernwartung
 

Sie haben noch Fragen?

nfd-rgd

Fernwartung mit TeamViewer Version 13
 
Facebook
LinkedIn
Instagramm
 

 

AIDA ORGA GmbH  -  Otto-Lilienthal-Str. 36  -  71034 Böblingen

Datenschutzhinweis

Wir nutzen Cookies auf unserer Webseite. Einige von ihnen sind notwendig, während uns andere helfen, die Website und Ihre Erfahrung zu verbessern.