21.10.2024, FA Andreas König
Das Lieferkettengesetz ist in den Medien in den vergangenen zwölf Monaten heftig diskutiert worden, insbesondere die Frage, ob dieses tatsächlich für die Näherinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch verbesserte Arbeitsbedingungen bringt.
In Deutschland gelten bereits seit vielen Jahren hohe Standards zum Gesundheits- und Arbeitsschutz, die vom Arbeitgeber umzusetzen sind und deren Nichtbefolgung erhebliche Bußgelder, ja sogar Strafverfahren, nach sich ziehen kann.
Hier soll ein kurzer Überblick erfolgen, welche gesetzlichen Regelungen es gibt:
Zunächst besteht in allen Beschäftigungsverhältnissen der gesetzliche Unfallschutz für Arbeits- und Wegeunfälle nach dem SGB VII.
In § 2 sind alle Personen, die kraft Gesetzes versichert sind, benannt. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zahlt der Arbeitgeber allein. Die Nichtzahlung der Beiträge ist Straftat. Im „Gegenzug“ wird der Arbeitgeber vor Regressforderungen durch die §§ 104, 105 SGB VII geschützt. Geschädigte Arbeitnehmer/Dritte, zum Beispiel Lieferanten, die auf dem Firmengelände verunglücken, müssen ihre Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Träger der Unfallversicherung, die branchenbezogen ist, geltend machen. Sie erhalten von diesem Verletztengeld für maximal 78 Wochen. Unter Umständen erhalten sie auch eine Verletztenrente, wenn Dauerschäden aufgrund des Unfalls eingetreten sind.
Gleiches gilt für Berufskrankheiten, zum Beispiel Meniskusschäden bei Fliesenlegern.
Darüber hinaus hat der Arbeitgeber weitgehende Pflichten aus dem SGB IX gegenüber behinderten, schwerbehinderten sowie gleichgestellten Menschen.
Diese haben neben einem besseren Kündigungsschutz, für Schwerbeschädigte auch einen Anspruch auf 5 Tage Zusatzurlaub im Kalenderjahr. Betriebe sind ab einer bestimmten Betriebsgröße verpflichtet, eine Schwerbehindertenvertretung bei Personalentscheidungen zu beteiligen. Regelungen hierzu finden sich in den §§ 163 ff SGB IX.
Weitere Rechtsverpflichtungen resultieren aus dem Arbeitsschutzgesetz, welches schon seit 1996 in Kraft ist, und dem Arbeitgeber konkrete Pflichten bei der Arbeitsplatzgestaltung auferlegt, die auch durch das Amt für Arbeitsschutz, angesiedelt bei den Landratsämtern bzw. bei den jeweiligen Landesämtern, kontrolliert werden.
Auch hier sind Verstöße bußgeldbewehrt.
Hinzu kommen Dokumentationspflichten und Belehrungspflichten der Arbeitnehmer zur Unterweisung (Arbeitsschutzbelehrung), der arbeitsmedizinischen Vorsorge (Betriebsärzte), der unfallmedizinischen Erstversorgung - vom Erste-Hilfe-Kasten bis zur Schulung von Ersthelfern (DRK-Lehrgang) sowie einer Vielzahl weiterer Maßnahmen.
Weitere Regelungen finden sich im Arbeitszeitgesetz, welches insbesondere die Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit (branchenbedingte Abweichungen sind möglich) und die Mindestdauer von Ruhezeiten, aber auch Dokumentationspflichten des Arbeitgebers zu Mehrarbeit, Nacht- und Schichtarbeit sowie zur Sonn- und Feiertagsruhe festlegt. Auch hier sind Verstöße straf- und bußgeldbewehrt.
Weitere Vorschriften finden sich im Arbeitssicherheitsgesetz, hier insbesondere Aufgaben der Betriebsärzte und die Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und in Unternehmen mit Betriebsräten die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und dem Arbeitsschutzausschuss.
Eine Spezialregelung findet sich auch in § 58 ff des Bundesemissionsschutzgesetzes (Störfallbeauftragter), im Bundesurlaubsgesetz (gesetzlicher Mindesturlaub 24 Werktage) und im Entgeltfortzahlungsgesetz, wonach Beschäftigte unabhängig vom Grund der Erkrankung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen haben.
Eine Spezialregelung findet sich auch im Jugendarbeitsschutzgesetz, dessen geschützter Personenkreis sich schon aus dem Gesetzesnamen ergibt, darüber hinaus in landesrechtlichen Vorschriften, auf die u.a. in § 155 der Gewerbeordnung sowie in den Ladenöffnungsgesetzen der Länder verwiesen wird.
Weiterhin finden sich Normierungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, da der Gesundheitsschutz gemäß §§ 87, 89 Betriebsverfassungsgesetz voll mitbestimmungspflichtig ist.
Darüber hinaus sind sie in EN-Normen bzw. DIN-Vorschriften zu finden, z.B. die Absturzsicherung an Baugerüsten oder die Absicherung und Umzäunung von Baustellen und Gefahrenquellen für die Öffentlichkeit.
Die Normen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz sind also in vielen Gesetzen, Verordnungen und Kollektivvereinbarungen verstreut und selbst erfahrenen Juristen aufgrund ihrer schieren Menge nicht vollständig bekannt.
Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle wegen der Covid-Pandemie auch das Infektionsschutzgesetz sein. Danach besteht eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen bzw. der Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt für Ungeimpfte im medizinischen Bereich, aber auch für Erziehungsberufe wie Kindergärtnerinnen bezüglich der Masernschutzimpfung. „Impfverweigerer“ können ohne Zahlungsanspruch vom Arbeitgeber freigestellt werden. So hat das BAG mit zwei Urteilen am 19.06.2024 entschieden. Dahinter steckt nicht nur der Schutz der in den Krankenhäusern/Kitas zu betreuenden Menschen, sondern natürlich auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Kolleginnen und Kollegen, den das BAG über die Persönlichkeitsrechte der einzelnen Arbeitnehmer überwiegen lässt.
Fazit:
Der Gesundheits- und Arbeitsschutz dient nicht nur dem Schutz des einzelnen Beschäftigten, sondern auch dem Schutz der Kolleginnen und Kollegen sowie Dritter, bis hin zu betriebsfremden Personen. Arbeitgeber haben umfassende Verpflichtungen - von der Arbeitsschutzbelehrung über die gefährdungsarme Einrichtung des Arbeitsplatzes bis hin zur Kontrolle des Impfstatus in bestimmten Branchen. Die Beschäftigten haben weitreichende Informations- und Mitbestimmungsrechte.
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