11.09.2023, FA Andreas König
Die Instanzgerichte haben hierauf aufzuklären wann die AU/Folgebescheinigungen festgestellt wurden (vor oder nach Ausspruch der Kündigung), mit welchen Diagnosen und ob ggf. ein Ärzte-„Hopping“ erfolgt ist und der Arbeitnehmer mit dem Ende der Kündigungsfrist wieder genesen ist und unmittelbar ein neues Arbeitsverhältnis angetreten hat. Auf der Grundlage dieser Indizien haben die Arbeitsgerichte nach ggf. durchgeführter Beweisaufnahme nach sogenannter tatrichterlicher Überzeugung zu entscheiden, ob die AUB eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit belegt und der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder deren Beweiswert erschüttert ist und folglich der Arbeitnehmer mangels Nachweises einer Arbeitsunfähigkeit auch keinen Zahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz hat.
Hier entscheiden Instanzgerichte durchaus unterschiedlich, worauf der Autor mit diesem Blog-Beitrag aufmerksam machen möchte.
Entschieden hat kürzlich das LAG Niedersachen mit Urteil vom 08.03.2023 im Verfahren 8 Sa 859/22, dass auch bei deckungsgleicher Kündigungsfrist und Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsaufnahme unmittelbar nach Ende der Kündigungsfrist beim alten Arbeitgeber die AUB nicht erschüttert ist, weil der Arbeitnehmer die AU mitgeteilt hat und ihm erst danach die Arbeitgeberkündigung zuging und es deshalb an einer Kausalität zwischen Kündigungserklärung und Gang zum Arzt fehlt.
Relevant sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer von der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers erfährt, z. B. durch Betriebsratsanhörung, zum Arzt geht und ihm dann auch tatsächlich die Kündigung zugeht. Hier ist der Arbeitgeber in der Beweispflicht.
Anders entschieden hat das LAG Schleswig-Holstein in einer Entscheidung vom 02.05.2023, 2 Sa 203/22, in welchem das LAG diese Indizien, nach o. g. tatrichterlicher Überzeugung, hat ausreichen lassen, die AUB zu erschüttern und den Entgeltfortzahlungsanspruch zu verneinen.
Die tatrichterliche Überzeugung nach Beweisaufnahme ist auch nicht revisibel, d. h. im Ergebnis, dass keine Rechtssicherheit besteht, ob eine AUB vor Gericht bestand hat oder nicht.
Das Gericht darf die Gesamtumstände eines Falles berücksichtigen und es besteht bei Identität von AU-Zeit und Kündigungszeitraum immer das Risiko, dass die AUB allein für die Begründung des Entgeltfortzahlungsanspruchs nicht ausreicht.
Fazit:
AU-Zeiten und Kündigungsfrist sollten möglichst nicht identisch sein.
In der Regel bestehen noch Resturlaubsansprüche. Dieser sollte beantragt und genommen werden.
Der Arbeitgeber sollte, wenn er Zweifel an der AUB hat, detailliert zu den Umständen vortragen und Indizien benennen, die die AUB erschüttern.
AIDA ORGA GmbH - Otto-Lilienthal-Str. 36 - 71034 Böblingen