Betriebsübergang und Fusionen

18.11.2024, FA Andreas König

Im Dienstvertragsrecht gibt es dazu nur eine einzige Vorschrift (613 a BGB).
Dieser hat aber einen komplexen Inhalt. Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts gibt es weiterhin Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz, hier insbesondere in den §§ 80 I Ziff. 8 sowie 111ff.

Zunächst ist die Frage zu beantworten: Was ist ein Betriebsübergang?
§ 613 a BGB regelt dazu: „Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über…“.

Wichtig sind hier zwei Begriffe – zum einen Betrieb, nicht Unternehmen, und zum anderen: durch Rechtsgeschäft.

Betrieb ist eine selbstorganisierte Wirtschaftseinheit, zu unterscheiden von einer Filiale mit Leitungsstruktur und „Stammbelegschaft“. Auch im Übrigen unselbständige Betriebsteile verschiedener Unternehmen können einen gemeinsamen Betrieb bilden, wenn sie einen gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, zum Beispiel den Bau einer Autobahnbrücke, an dem unterschiedliche Unternehmen beteiligt sind. Im Sprachgebrauch wird dies meist als Arbeitsgemeinschaft (ARGE) bezeichnet.

Zweites Tatbestandsmerkmal ist der Übergang durch Rechtsgeschäft, also einen zweiseitigen Vertrag und nicht etwa durch Erbschaft. Besonderheiten gelten im Insolvenzrecht, in welchem der Betriebsübernehmer den Betrieb vom gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter „übernimmt“. Dies ist ein Sonderfall, der nicht von § 613 a BGB umfasst wird.

Was sind die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs?
Das Gesetz definiert: „So tritt dieser (der Übernehmer) in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein“. Diese Vorschrift enthält also eine Stichtagsregelung. Vereinbaren zum Beispiel Übergeber und Übernehmer einen Betriebsübergang zum 01.01. eines Jahres, dann sind die Arbeitsverhältnisse nicht umfasst, die Silvester geendet haben. Der Gesetzgeber stellt hier auf den reinen rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses ab, unabhängig von der tatsächlichen Beschäftigung, also ruhende Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel wegen Elternzeit oder Sabbatical, gehen auch auf den neuen Betriebsinhaber über.

Wie ist § 613 a BGB mit der Vertragsfreiheit des Arbeitsrechtes, wonach sich jeder seinen Arbeitnehmer/Arbeitgeber aussuchen kann, zu vereinbaren?
Dies geschieht durch die Absätze V und VI des § 613 a BGB. Dieser regelt eine Unterrichtungsverpflichtung des bisherigen Arbeitgebers oder des neuen Inhabers in Textform. Der Arbeitnehmer hat dann nach Absatz VI das Recht, dem Betriebsübergang zu widersprechen. Der Widerspruch des Arbeitnehmers hat rechtsgestaltende Wirkung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Betriebsinhaber übergeht, was dann aber Konsequenzen hat, die der Arbeitnehmer im Vorfeld abwägen sollte und unbedingt zuvor Rechtsrat einholen sollte.

Wie ist die Unterrichtungspflicht ausgestaltet?
Der Arbeitnehmer muss unterrichtet werden: erstens über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs, zweitens über den Grund des Übergangs, drittens über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für ihn persönlich und viertens über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. 

Die Unterrichtung hat vor dem Übergang zu erfolgen, mit vollständiger Unterrichtung des Arbeitnehmers (Absatz VI) beginnt die Monatsfrist für den Widerspruch. Wird kein Widerspruch erklärt, geht das Arbeitsverhältnis über. Ist die Unterrichtung unvollständig oder nicht in Textform erfolgt, fängt die Monatsfrist nicht an zu laufen. Der Arbeitnehmer kann also auch noch Monate oder Jahre nach dem Betriebsübergang diesem widersprechen, mit der Konsequenz, dass sein alter Arbeitgeber ihn weiter beschäftigen und bezahlen muss.
Der Arbeitnehmer, der dem Betriebsübergang widerspricht, muss allerdings damit rechnen, dass er eine betriebsbedingte Kündigung erhält, weil sein alter Arbeitgeber ihn nicht mehr auf dem alten Arbeitsplatz beschäftigen kann. Der Arbeitsplatz/Betrieb gehört jetzt einem neuen Inhaber und der Arbeitnehmer kann auf diesem nicht beschäftigt werden, weil er dem Betriebsübergang widersprochen hat. Deshalb liegen in diesem Fall regelmäßig Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung vor. Allerdings gilt auch weiterhin der Sonderkündigungsschutz (vergleiche hierzu den Blogbeitrag vom April 2024).
Wenn der Betrieb/Betriebsteil auf den neuen Inhaber übergeht und mit ihm auch das konkrete Arbeitsverhältnis, dürfen sich für den Zeitraum von einem Jahr ab Betriebsübergang die Vertragskonditionen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers ändern (§ 613 a I Satz 2 BGB). Ausgenommen hiervon sind Rechte und Pflichten, wenn beim neuen Betriebsinhaber Tarifbindung besteht und in dem neuen Tarifvertrag andere Rechte geregelt sind, gleiches gilt für Betriebsvereinbarungen. Besondere Relevanz hat dies beim so genannten Outsourcing, also wenn zum Beispiel ein Krankenhaus in Trägerschaft eines Bundeslandes, in dem das Tarifrecht Öffentlicher Dienst der Länder gilt, die nichtpflegenden Tätigkeiten (Reinigung, Küche, Hauswirtschaft ect) ausgliedert und an ein privates Unternehmen veräußert, in dem entsprechend andere Tarifverträge gelten mit meist niedrigerer Arbeitsvergütung, mit Entfall von Urlaubs-/Weihnachtsgeld oder geänderte Regelarbeitszeiten (Zeitarbeitsbranche nur 151,67 Monatsstunden Vollzeit).
Für den Zeitraum eines Jahres haftet auch der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Betriebsinhaber als Gesamtschuldner. Ausnahme ist, wenn der bisherige Arbeitgeber durch Umwandlung erlischt.

Einer der wichtigsten Punkte beim Betriebsübergang ist in Absatz IV geregelt. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den bisherigen oder den neuen Inhaber ist wegen des Betriebsübergangs unwirksam. Allerdings bleibt das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen davon unberührt. Die Vorschrift schützt also nicht vor Kündigung und schon gar nicht, wie oben dargestellt, wenn dem Betriebsübergang durch dem Arbeitnehmer widersprochen wurde.
Neben dem Betriebsübergang auf einen neuen Inhaber ist ein häufiger Fall auch die Verschmelzung/Fusionierung von zwei oder mehreren Unternehmen, also dem Gegenteil von Outsourcing. Auch dies ist ein Betriebsübergang, da der neue Arbeitgeber nicht identisch mit dem bisherigen ist.
Praxisrelevant ist dies insbesondere, wenn sich zum Beispiel kleine Kreisverbände eines schon im Jahre 1919 gegründeten Wohlfahrtsverbandes zu einem Regionalverband oder einem Landesverband zusammenschließen und aus dem Kreisverband, der eine Kita und ein Pflegeheim betrieben hat, ein großes Unternehmen entsteht, welches zum Beispiel 20 Kitas und 20 Pflegeheime betreibt. Müssen dann die Arbeitnehmer, die in einer Kita beschäftigt waren, damit rechnen, dass sie auf 19 weitere Kitas „aufgeteilt“ werden?

An diesem Beispiel wird deutlich, welche weitreichenden Konsequenzen dies für die Belegschaft haben kann, weshalb der Gesetzgeber auch Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers im Betriebsverfassungsgesetz regelt (§§ 80,81 BetrVG) und im Falle der Betriebsänderung den Betriebsräten auch Antrags- und Mitbestimmungsrechte in §§ 111 ff BetrVG einräumt. Diese Schutzvorschriften gelten allerdings nur in Betrieben, in denen ein Betriebsrat bzw. eine Personalvertretung besteht.

Fazit:
Spätestens, wenn der Arbeitgeber über den geplanten Betriebsübergang unterrichtet, sollte eine Rechtsberatung erfolgen.

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