14.05.2024, FA Andreas König
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, dass der betroffene Arbeitsplatz des Arbeitnehmers dauerhaft weggefallen ist und auch eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen, so die Definition des Gesetzes, nicht möglich ist und andere vergleichbare Arbeitnehmer, die nicht gekündigt werden, einen höheren Besitzstandsschutz genießen oder Sonderkündigungsschutz haben.
Auch hier ist also das Prüfschema mehrstufig. Am Anfang steht die Unternehmerentscheidung, dass Arbeitsplätze/-kräfte abzubauen sind.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig, zum Beispiel durch Digitalisierung oder zunehmenden Kostendruck oder sogar Betriebsschließung.
Wird ein Betrieb ganz geschlossen, entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit. Wenn nur ein Teil des Betriebes eingeschränkt wird/die Beschäftigtenzahl reduziert wird, muss in einem zweiten Schritt konkret dargelegt werden, wie das vorherige Arbeitsvolumen auf die Beschäftigten verteilt war und wie nach den Entlassungen mit weniger Beschäftigten das zu erwartende Arbeitsvolumen erfüllt werden soll (Prognose).
Hier bestehen verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel Reduzierung vom Dreischicht- auf Zweischichtbetrieb, Schließung einer Produktionslinie, Auslagerung (Outsourcing) von bestimmten Aufgaben bis hin zur Arbeitsverdichtung, um nur einige Beispiele aufzuzählen.
Der nächste Prüfschritt ist dann die Darlegung, wie sich diese Unternehmerentscheidung auf den konkreten betroffenen Arbeitsplatz auswirkt, also warum dieser entfällt/von anderen Mitarbeitern die Arbeitsaufgaben miterledigt werden.
Daran schließt sich an die Sozialauswahl zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern, das heißt Arbeitnehmer mit gleicher Qualifikation und gleichen Arbeitsaufgaben auf der horizontalen Ebene. Hier hat der Gesetzgeber (§ 1 III KSchG) ein Punktesystem nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers und die Schwerbehinderung/Gleichstellung entwickelt. Es gilt die Faustformel: Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto schwerer ist die betriebsbedingte Kündigung möglich. In manchen Tarifverträgen ist dies auch verankert, zum Beispiel ab 15 Jahre Betriebszugehörigkeit.
Wenn ein Arbeitnehmer durch dieses „Raster fällt“, ist der nächste Prüfschritt, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen besteht. Das heißt, kann der Arbeitnehmer in eine andere Betriebsabteilung/Betriebsteil umgesetzt oder versetzt werden? Wenn dies nicht der Fall ist, muss als nächster Schritt eine Qualifizierung gemäß § 1 Satz 3 KSchG geprüft werden. Wenn ja, ist das Einverständnis des Arbeitnehmers hierzu einzuholen und das Arbeitsverhältnis nach Umschulung/Fortbildung weiterzuführen. Eine Kündigung ist also ausgeschlossen.
Wenn auch dies im Betrieb nicht möglich ist oder der Arbeitnehmer seine Zustimmung verweigert, muss als nächster Prüfschritt der Ausspruch einer Änderungskündigung als milderes Mittel zur Beendigungskündigung geprüft werden.
Änderungskündigung kann erfolgen bei gleicher Tätigkeit, aber zum Beispiel mit reduziertem Stundenvolumen und damit auch reduzierter Vergütung, oder in dem eher seltenen Fall, dass zwei Teilzeitkräfte gekündigt werden, weil eine Vollzeitstelle geschaffen werden soll, dann durch Anhebung der Arbeitszeit. Meist ist es aber der Fall, dass die Beschäftigung an einem anderen Arbeitsort erfolgen soll, weil dort Arbeitskräftebedarf besteht.
Der Ausspruch einer Änderungskündigung ist nur dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer zuvor ein Änderungsangebot (Änderungsvertrag) abgelehnt hat, was der Arbeitgeber nachweisen muss.
Schließlich ist noch der Sonderkündigungsschutz zu beachten sowie weitere spezialgesetzliche Regelungen, die einschlägigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie etwaige einzelvertragliche Kündigungsbeschränkungen.
Die gerichtlichen Verfahren zu betriebsbedingten Kündigungen folgen der „Konjunkturkurve“. Das heißt, wenn die Wirtschaft schwächelt, wird mehr um den Bestand der Arbeitsverhältnisse gestritten.
Um die Justiz zu entlasten und auch schnell Rechtssicherheit zu gewähren, hat der Gesetzgeber vor 20 Jahren § 1a in das Kündigungsschutzgesetz aufgenommen. Danach kann der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung anbieten. Diese beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Diese Abfindungshöhe wird auch häufig in gerichtliche Vergleiche oder außergerichtliche Verhandlungen als Verhandlungsgrundlage übernommen, ist aber nicht bindend für Vergleiche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Zu beachten ist auch, dass bei betriebsbedingten Kündigungen ab einer gewissen Betriebsgröße auch die Vorschriften zur Massenentlassung des § 17 KSchG zu beachten ist und auch in Betrieben mit Betriebsräten auch Sozialpläne/Interessenausgleiche zu verhandeln sind (§ 112 BetrVG).
Dieser Blogbeitrag kann nur einen groben Überblick verschaffen über die sehr umfangreiche Rechtsprechung und Literatur.
Es kann deshalb den Arbeitgebern vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nur dringend angeraten werden, Rechtsrat einzuholen. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten oder mit dem Ausspruch einer Kündigung rechnen und dagegen vorgehen wollen.
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